Mit zunehmendem Alter überwiegt die Erkenntnis, dass auch die einfachsten Organismen eine faire Überlebenschance verdienen. Diese Einsicht führt dazu, dass ich Insekten – sogar Spinnen mit einer relativ beachtlichen Körperfülle – bei einem stattgefundenen Hausfriedensbruch in möglichst unversehrtem Zustand in ihre natürliche Umgebung zurück transportiere, oder man könnte auch sagen, renaturiere. Früher war ich dabei weniger zimperlich, ein schneller und ansatzloser Schlag mit dem Finken liess das unliebsame Insekt erschrocken zurück.
Altersmilde oder der philosophische Befund, dass jedes Lebewesen eine wichtige Funktion einnimmt? Vielleicht beides. Allerdings funktioniert diese sensible Betrachtungsweise meiner Umwelt nicht in jedem Fall. Diese unangenehmen Fliegen mit grünlicher Rückenfärbung – Schmeissfliegen nennt man sie gefühlskalt – kann ich einfach nicht leiden, jeder Versuch, eine sympathische Charaktereigenschaft zu stipulieren, scheitert kläglich. Vom Jagdfieber beseelt, habe ich neulich eine Stunde meiner bescheidenen Schlafenszeit geopfert, um dem unliebsamen Insekt auf die Pelle zu rücken. Und das erst noch ohne Erfolg. Gezeichnet und gealtert von den nächtlichen Strapazen hat sich meine Zuneigung zu diesem Tier nicht entscheidend verbessert. Aber wahrscheinlich beinhaltet selbst diese Erfahrung einen Prozess des Lernens. Das könnte bedeuten, dass sogar beklagtes Insekt – in einigen Jahre vielleicht – bei stattgefundener Grenzüberschreitung der frischen Luft zugeführt wird. Ganz ohne Gewalt, aber in einem atmungsaktiven Behältnis. Kaum vorstellbar. Aber durchaus möglich.