Überall in der Schweiz stimmen städtische und kantonale Exekutiven und Legislativen darüber ab, ob der Klimanotstand ausgerufen werden soll. Gleichzeitig stauen sich die Autos vor dem Gotthard Nordportal und die Reisebüros verzeichnen Rekordumsätze bei Flugreisen. Stehe ich mit meinem „Smart“ minutenlang vor einer Bahnschranke, höre ich durch die geschlossenen Scheiben das gutmütige, aber umweltschädliche Rattern von Diesel- und Benzinmotoren. Trotz „Klimakrise“ empfinden es viele Autofahrer noch nicht für notwendig, den Motor abzustellen.
Gleichzeitig referiert Greta Thunberg in Österreich und geisselt all diejenigen, welche ihre Perspektive nicht teilen, wohlwissend, dass auch ihre Generation von den Errungenschaften der Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft massgebend profitiert. Die Ambivalenz im menschlichen Verhalten spielt anscheinend keine grosse Rolle oder fällt nicht auf: Sogar der grosse Arnold Schwarzenegger – der bestimmt mit dem Privatjet nach Wien angereist ist – findet nur lobende Worte für die fragile Schwedin und meint, dass es nun endlich Zeit für ein Umdenken sei.
Verkehrte oder zumindest widersprüchliche Welt? Es scheint so. Zu diesem schiefen Bild passen die in einzelnen Kantonen vorgesehenen Moratorien zum 5G-Netz. Der Mensch benötigt immer mehr Datenvolumen, stellt aber gleichzeitig die hierfür notwendigen technologischen Rahmenbedingungen in Frage. Und dies zum Teil auf Grundlage einer eher irrationalen Begründung: Der neue Schweizer Esoterik Star Christina von Dreien spricht dem 5G-Netz sogar die Eigenschaft zu, Gedanken, Emotionen und Körperfunktionen von Mensch und Tier zu manipulieren. Notabene bleibt sie den wissenschaftlichen Beleg dafür selbstverständlich schuldig, verbreitet ihre Ideologien – gepaart mit einer Prise Weltverschwörung – aber hunderttausendfach angeklickt in der digitalen Welt. Anscheinend wollen wir ihr glauben, fern jeder Logik und Beweisbarkeit. Aber gleichzeitig soll es auch möglich sein, ihre YouTube Videos und vieles mehr noch schneller herunterladen. Funktioniert dies nicht, schimpfen wir den Staat oder die Mobilfunknetzbetreiber, die nicht in der Lage sind, eine flächendeckende und ultraschnelle Versorgung zu gewährleisten.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Der Schutz der Umwelt ist ein zentrales Anliegen. Ein wenig mehr Besonnenheit wäre aber angezeigt. Oder weiss denn irgend jemand, welche Bedeutung ein „Klimanotstand“ tatsächlich hat bzw. welche Wirkung für Mensch und Wirtschaft damit verbunden bleibt? Darüber wird nicht debattiert. Somit bleibt es wohl bei einer Symbolpolitik, welche unser ambivalentes Verhalten nur allzu deutlich veranschaulicht. Medienwirksam, aber nicht nachhaltig. Ähnlich verhält es sich beim 5G-Moratorium. Befürchtungen und Ängste der Bevölkerung sind ganz sicher ernst zu nehmen. Panikmache und Hysterie bringen hingegen wenig. Und eine Randbemerkung sei immerhin erlaubt: Das 5G Netz ist deutlich energieeffizienter und damit ressourcenschonender wie die aktuelle Technologie. Keine Weltverschwörungsbehautung, sondern mit Fakten belegt. Auch hier zeigt sich einmal mehr die Ambivalenz im Verhalten und den Diskussionen.