portrait dominikgemperli web3 - Behördliches Handeln im Spannungsfeld

Domimik Gemperli

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Ausgangslage

Einen Beitrag zu schreiben über die Vorkommnisse in “Hefenhofen” – und die mediale Berichterstattung dazu – ist wahrscheinlich nicht sehr klug. Die Gefahr besteht, dass jedes Wort falsch verstanden wird und Aussagen in einem nicht passenden Kontext verwendet werden.  Daher muss ich bereits vorweg festhalten, dass ich dem Tierschutz eine hohe Bedeutung zumesse. Sind die Verfehlungen auf dem Thurgauer Hof tatsächlich in der dargestellten Form passiert – und daran mag man eigentlich nicht zweifeln -, bleibt dies selbstverständlich zu verurteilen.

Den öffentlichen Aufschrei der Entrüstung kann man nachvollziehen. Der mediale Druck, der aufgebaut wurde, hat mitunter sicher dazu beigetragen, dass endlich gehandelt wurde. Gut so.

Trotzdem: Die wochenlange Berichterstattung auf allen möglichen Informationsschienen und Online-Plattformen mit Skandalisierung der Ereignisse und entsprechender Analyse der Ursachen scheint mir unter verschiedenen Aspekten nicht unproblematisch. Dabei gelten diese Ausführungen nicht im Speziellen für den Fall “Hefenhofen”, sondern die Muster sind allgemein zu beobachten.

Schnelle Schlussfolgerung

Die öffentliche Zuweisung von Verantwortlichkeiten ohne abschliessende Klärung der Sachlage bleibt wohl eine Erscheinung des Zeitgeistes, ist aber nicht wirklich zielführend. Eine sachliche Diskussion wird  – so macht es vielfach den Eindruck – gar nicht gewünscht, Hauptsache, die Fehlbaren können schnell an den Pranger gestellt werden. Am Ende dieser Kausalkette der Verantwortlichkeit steht in den meisten Fällen eine Behörde oder einzelne Vertreter davon, die untätig geblieben sein sollen oder die falschen Entscheidungen getroffen haben. Damit kann auf einfache Weise das Bedürfnis befriedigt werden, die öffentlichen Organe als unfähig zu kritisieren. Pauschalisierungen und verbale Schnellschüsse verhindern indessen oft eine vertiefte Analyse und faire Beurteilung.

Im konkreten Fall von Hefenhofen ist tatsächlich davon auszugehen, dass die verantwortlichen Behördenvertreter zu lange zugewartet haben und damit zusätzliches Leid passiert ist. Dies ist zu Recht nicht hinzunehmen. Vorverurteilungen sind trotzdem fehl am Platz. Der Sachverhalt muss genau untersucht werden.

Grundsätzliches Problem: Ungleiche Spiesse

Der bei behördlichen Fehlern oder Unterlassungen im Allgemeinen oft bemühte Vergleich mit der unzimperlichen Handlungsweise in der Privatwirtschaft hinkt indessen. Die Handlungshoheit des Staates bleibt an viel engere Regeln gebunden. Die Einhaltung von formellen und materiellen Vorschriften stellt eine Grundvoraussetzung unserer Rechtsordnung dar. Wie schnell reden wir andernfalls von “Willkür” oder nehmen das Wort “Bananenrepublik” in den Mund, wird eine behördliche Vorgehensweise gepflegt, die einen pragmatischen und unkonventionellen Handlungsansatz verfolgt. Es bleibt somit ein Spannungsfeld, in welchem sich der Staat – und seine Organe – bewegen. Der schnell agierende Macher – gerade noch als “Held” gefeiert –  kann in Kürze zum Buhmann werden. Die Privatwirschaft kennt solche Gesetzmässigkeiten nicht. Trotzdem läuft auch dort nicht alles rund: Zu erinnern bleibt beispielsweise an die weltweite Bankenkrise oder den aktuellen “Dieselskandal” in Deutschland.

Weitere Ursachen

Eine (weitere) Ursache, wieso Behörden manchmal erst spät oder vielleicht sogar zu spät handeln, lässt sich möglicherweise auch im folgenden Umstand erblicken: Heutzutage lässt sich die persönliche Sichtweise der Betroffenen von staatlichen Eingriffen zunehmend einfach über die Medien darstellen und verbreiten, wobei die Gegenseite dem Persönlichkeits- und Datenschutz sowie dem Amtsgeheimnis verpflichtet bleibt und damit ihre Begründung für eine konkrete Handlungsweise nicht ausreichend oder für das Publikum nachvollziehbar schildern kann. Dies führt einerseits zu einer einseitigen Wahrnehmung der Problemstellung und andererseits zu einer Emotionalisierung der Öffentlichkeit. Das Wissen und Bewusstsein, dass eine medial ausgeschlachtete Auseindersetzung mit ungleich langen Spiessen geführt werden muss, fördert eine passive und zurückhaltende Vorgehensweise zusätzlich. Das ist in der Tat nicht gut. Aber vergegenwärtigen wir uns andererseits auch die Fälle, in denen eine rasch einschreitende Behörde aufgrund einer einseitigen medialen Berichterstattung bis auf die Grundfesten kritisiert wird. Die Macht der Medien – auch und gerade der online-Kanäle – ist immens. Das hat gute Seiten, schafft aber zum Teil auch eine öffentliche Sichtweise, welche einem Sachverhalt oder einer Problemstellung nicht gerecht wird, in dem nur die eine Perspektive beleuchtet wird. Der Vertrauensverlust in behördliches Handeln bleibt dabei leider oft die Konsequenz.

Lebenswirklichkeit

Andererseits wird es wahrscheinlich immer Anspruch der Öffentlichkeit bleiben, dass die Gerichte und die Verwaltungsbehörden einer Lebenswirklichkeit gerecht werden, die per se nicht in allen Facetten geregelt werden kann. Entsprechend ist es leider auch nicht möglich, eine “absolute Gerechtigkeit” herzustellen. Mit dieser Diskrepanz werden wir auch künftig umgehen müssen. Solange die wichtigen Grundsätze des Rechtssystems wie “Beweislastverteilung”, “in dubio pro reo”, das “Verschuldensprinzip” oder auch die Maxime der “Verhältnismäßigkeit” Bestand haben sollen, werden wir behördliches und gerichtliches Vorgehen oder entsprechende Urteile subjektiv als ungerecht empfinden können. Das geht mir im Übrigen ab und zu auch so.

Fazit

Letzten Samstag hat Herr Stefan Schmid vom St. Galler Tagblatt einen interessanten und lesenswerten Leitartikel zum Fall “Hefenhofen”verfasst. Mitunter bleiben seine Schlussfolgerung in einigen Bereichen nachvollziehbar. Vorstehende Ausführugen zeigen hingegen auch, dass die richtige Vorgehensweise – unabhängig vom konkreten Fall – oft eine Gratwanderung bleibt. Schlussendlich erscheint es mir am allerwichtigsten, dass die Behörden – in Kenntnis dieses Spannungsfeldes – gleichwohl den Mut aufbringen, notwendige und teils unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Auch wenn sie sich zusätzlicher medialer Kritik aussetzen. Eines bin ich mir hingegen sicher: Die Schweiz verfügt grundsätzlich über öffentliche Institutionen, die hohen qualitativen Anforderungen genügen. Dies schliesst Fehlbeurteilungen im Einzelfall nicht aus. Unsere funktionierenden politischen Einheiten und unsere rechtsstaatlichen Prinzipien sind indessen ein wichtiger Garant für den  Erfolg dieses Landes. Dies sollten wir bei aller Kritik nicht vergessen.

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