Letzte Woche durfte ich drei Tage im Tirol verbringen. Beim Hotel “Check-In” wird neben den Personalien auch um Auskunft über akademischen Titel ersucht. Wieso, fragte ich mich. Bringt die Würde eines Doktortitels tatsächlich einen Fensterplatz im Hotelrestaurant? Wird das Fleisch vom Küchenchef vielleicht zarter gebraten im Wissen, dass der Speisende zu ungeahnten geistigen Höhenflügen befähigt bleibt. Fragen über Fragen.
Nun, da ich alleine bzw. ohne Ehefrau mit meinen Kindern unterwegs war, blieb ich angesichts dieser Aussichten für jede zusätzliche Annehmlichkeit empfänglich. Ferien mit Kindern sind ja schon anstrengend genug. Und ausserdem – so der freche Gedanke – ist mein Ausbildungsniveau doch einem österreichischen Doktortitel vergleichbar, ganz unbescheiden ausgedrückt. In Österreich hat jeder Pförtner eine nobel klingende Bezeichnung, so dachte ich. Herr Ministerialrat, Frau Studienrätin, Ihre Hochwürden und auch der Herr Ober im Restaurant sind Zeugnis genug für die Titelschwemme in unserem sympathischen Nachbarland. Also getraute ich mich und schreibe in meiner Launenhaftigkeit auf das Anmeldeformular “Doktor h.c.”, meinetwegen verliehen von der Universität Kiew.
Nun ja, ein attraktiver Platz im Restaurant wurde mir tatsächlich zugeteilt. Das Fleisch schmeckte ebenso vorzüglich und die Frau Oberin nickte jedes Mal zustimmend, wie sie meinen Tisch passierte. Was für ein Leben. Schwarz auf weiss prangte es auf der Tischkarte, “Herr Dr. Gemperli mit Kindern”, zugewiesener Tisch für die Dauer des Aufenthalts. Langsam fühlte ich mich wie Karl-Theodor zu Guttenberg, und der ex-Verteidigungsminister hatte immerhin eine Dissertation vorzuweisen, selbst wenn gewisse Textpassagen vielleicht nicht seiner geistigen Idee entsprangen. Bald schon erreichte mich der prüfende Blick vom Nachbartisch, mir schien als hörte ich Worte wie “so schlau sieht er aber gar nicht aus” oder “der hat doch höchstens in einer Pseudo-Wissenschaft wie Recht promoviert”. Zugegeben, gar nicht so schlecht geraten.
Was lernt man daraus? Nicht viel. Ich glaube, nach drei Tagen als alleinerziehender Vater auf Zeit habe ich zwar keinen Doktortitel erworben, aber vielleicht einen Orden verdient. Es gibt zwar nichts Schöneres, als viel Zeit mit seinen Kindern zu verbringen. Aber es ist auch ziemlich anstrengend. Hut ab vor allen Hausfrauen – oder Familienmanagerinnen – und Müttern. Oder auch vor Vätern, die sich getrauen, “zu Hause” zu bleiben.
Hallo Herr Gemperli.
Hätten Sie geschrieben, dass Sie Gemeindepräsident resp. Bürgermeister der Schweizer Stadt Goldach seien, hätten Sie sicher noch grössere Aufmerksamkeit erlangt.
Beste Grüsse von Jonny Müller, (Künstler visarte aus Goldach und Kiwaner, nützt auch manchmal recht viel).
Lieber Jonny Müller, vielen Dank für die Mail und den guten Tipp! Werde es vielleicht bei nächsten Mail versuchen….
Herzliche Grüsse und eine gute Woche!