Der Mediensprecher der iranischen Justiz liess unlängst verlauten, dass die Verhängung der Todesstrafe keine Reduktion der Anzahl begangener Straftaten bewirke. Hintergrund dieser Aussage bildete der Beschluss des Parlaments, welcher die Abschaffung dieser “Höchststrafe” bei Drogendelikten zum Gegenstand hatte.
Im St. Galler Tagblatt ist unter dem Titel “wo der Galgen kaum abschreckende Wirkung zeigt”, ein interessanter Beitrag zu diesem Thema publiziert worden. Angesichts der drakonischen Strafen im Iran sind die Aussagen aus Teheran möglicherweise als hoffnungsvolles Signal zu verstehen, den Sanktionierungsgedanken des Strafreches nicht als reinen Selbstwert verstanden zu wissen, sondern vor allem vor dem Hintergrund seiner präventiven Wirkung. Für mich bleibt jedenfalls klar, dass die Todesstrafe als Sanktion in kein Gesetzbuch der Welt gehört. Trotzdem, die Fragen nach der abschreckenden Wirkung einer Sanktion und der gesellschaftlichen Beurteilung, was eine gerechte “Strafe” darstellt, sind spannend. Solche Diskussionen finden auch in der Schweiz statt.
Schon während meinem Jus-Studium ist den Studenten eingetrichtert worden, dass eine verschärfte Sanktionerung von strafbaren Handlung im Grundsatz nicht die gewünschte generalpräventive Wirkung erzeugt. Das heisst nichts anders, als dass die Höhe einer angedrohten Strafe kaum abschreckende Wirkung (für künftige Deliquenten oder künftige Delikte des Täters selber) zeigt und letztlich nicht massgeblich dazu taugt, von der Begehung einer strafbaren Handlung – aufgrund der zu erwartenden Nachteile – abzusehen.
Selbstverständlich dient aber die Strafe während der Vollzugsdauer auch zur Verhinderung einer erneuten Straftat durch den Täter selber. Hier sprechen wir von der spezialpräventiven Wirkung. Während dieser Zeit soll im Weiteren eine Resozialisierung stattfinden, d.h. ein Delinquent wird darauf vorbereitet, nach Verbüssung der Haft wieder in die Gesellschaft “entlassen” zu werden und künftig ein straffreies Leben führen zu können. Ich betrachte solche Massnahmen als relevant vor dem Hintergrund, dass die Öffentlichkeit mehr Sicherheit erlangt. Irgendwann werden fast alle Delinquenten wieder ihre Freiheit erlangen.
Bei Beurteilung der Frage, wie unser Strafrecht ausgestaltet sein soll, lassen wir uns nicht nur von Überlegungen zum Präventionscharakter einer Strafe leiten, sondern stellen auch die Frage nach der Sühne für begangenes Unrecht. Es ist sicher richtig, dass sich die Vergeltungsfunktion in einem zivilisierten Strafrecht nicht im Vordergrund befinden soll. Der Vergeltungsgedanke stand im Mittelalter – sowie steht nach wie vor auch in archaischen Staatsstukturen der Neuzeit – im Vordergrund. Letztlich bleibt es zentral, dass eine Eingliederung in die Gesellschaft nach verbüsster Haftstrafe wieder stattfinden kann. Wollen wir den Schutz und die Interessenwahrung des Opfers einer strafbaren Handlung aber wirklich – und nicht nur als blosse Worthülse – ernst nehmen, gewinnt die Frage der nachvollziehbaren Abgeltung für begangenes Unrecht sicher an Bedeutung. Bedingte Strafen für schwerwiegende Delikte halte ich vor diesem Hintergrund für problematisch. Selbstverständlich heisst dies nicht, dass allgemeine Rechtsprinzipien wie Schuldfähigkeit, Strafminderung usw. keine Anwendung finden sollen. Die Beurteilung gilt immer dem Einzelfall.
Ich würde heute nicht davon sprechen, dass die Schweiz generell eine “Kuscheljustiz” betreibt. Tatsächlich gibt es aber Fälle bzw. Tathandlungen, bei denen ich mich über das ausgesprochene Strafmass wundere. Auch wenn gemäss den relevanten Studien der abschreckende Charakter einer Strafe nicht gegeben erscheint, bleibt das ausgesprochene Strafmass immerhin ein Signal für das Opfer. Das Signal nämlich, dass eine Gesellschaft ein gewisses Verhalten unter keinen Umständen toleriert und das Opfer eines Delikts in seiner Not und seiner Betroffenheit ernst nimmt. Auch diesen Aspekt gilt es meiner Meinung nach zu berücksichtigen.