Ein Schulkind besitzt nach Abschluss der Primarschule bereits mehrjährige Erfahrung in zwei Fremdsprachen. Zu meiner Schulzeit – das liegt zugegebenermassen bereits einige Jahre zurück – beschränkte sich der Unterricht in Französisch oder Englisch auf die Oberstufe oder die gymnasiale Ausbildung. Die Anforderungen an die Schülerinnen und Schüler steigen indessen stetig und korrespondieren mit einer Lebensrealität, welche sich immer komplexer gestaltet. Geht man davon aus, dass traditionelle Berufsbilder zunehmend verschwinden und im Zuge der Digitalisierung und Globalisierung eine stark veränderte Berufswelt zu erwarten bleibt, macht die permanente Auseinandersetzung mit dem “Lehrstoff der Zukunft” nicht nur Sinn, sondern bleibt sogar notwendig. Bund und Kantone definieren dabei die Vorgaben. Bei aller Freude an der Veränderung beschleicht mich ab und an trotzdem ein mulmiges Gefühl. Sind wir wirklich auf dem richtigen Weg?
Dabei geht es weniger um eine Debatte zum Lehrplan oder zur konkreten Ausgestaltung des Unterrichts in den jeweiligen Stufen. Ganz grundsätzlich stelle ich mir die Frage, ob wir unsere Kinder durch die Fülle an Zielsetzungen im heutigen Schulsystem nicht einer Überforderung aussetzen. Wäre es nicht ab und an besser, die Schulung der Kernkompetenzen – wie Lesen, Schreiben und Rechnen – wieder vermehrt in den Fokus zu rücken, ganz bewusst und in Kenntnis davon, dass die beruflichen Anforderungen einem permanenten Wandel unterzogen bleiben. Gerade diese stete Veränderung lässt es nämlich wichtig erscheinen, das Grundlagenenwissen zu stärken. Heutzutage ist die Verzettelung enorm. Bevor eine Schülerin oder ein Schüler überhaupt richtig der deutschen Sprache mächtig bleibt, wird bereits ausgiebig Vokabular in Französich und Englisch gebüffelt und das Textverständnis in den fremden Sprachen geübt. Vergegenwärtigt man sich auf der anderen Seite, wie viel Aufwand für individuelle Fördermassnahmen betrieben wird, erscheint ein gewisses Spannungsfeld zwischen Leistungerwartung und Leistungsvermögen zunehmend offensichtlich. Die Kindheit hat ihre Unschuld verloren. Vielleicht würde das Unterrichten von weniger Schulstoff manchmal die Vermittlung von mehr Inhalt bedeuten. Zugegeben, das ist überhaupt keine wissenschaftliche Analyse. Sondern eine rein persönliche Beobachtung, bei welcher ich gerne an meine eigene Vergangenheit zurück denke: Ich war ein eher fauler Kerl und kann mich nicht erinnern, in der Primarschulde ein grosses Interesse für schulische Themen gezeigt zu haben. Interessiert hat mich – man sieht es mir zwar nicht mehr an – die sportliche Betätigung. Trotzdem, irgendwann hat sich der “Knoten” gelöst und der Ehrgeiz für schulische Belange hat sich entwickelt. Manchmal wünsche ich mir, diese Zeit und dieser Raum für eine persönliche Entwicklung würde auch unseren Kindern wieder vermehrt gewährt. Heute erscheint mir der “schulische Fahrplan” sehr normiert. Kreativität und Phantasie entwickeln sich hingegen nur schwer in einem engen Korsett. Gerade diese Fähigkeiten erscheinen aber in einer veränderten Welt wertvoller denn je.
Nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, auch für die Lehrerinnen und Lehrer sind die stetig sich verändernden Rahmenbedingungen eine grosse Herausforderung. An dieser Stelle kann den Lehrpersonen nur der grosse Respekt und die Anerkennung ausgesprochen werden, mit wie viel Engagement und Einsatz dieser grossen Aufgabe begegnet wird. Dies gilt auch für die Schulträger, welche sich in einem anspruchsvollen Umfeld immer wieder neu erfinden müssen.
Gut gebrüllt!
LG aus Davos Altlehrer Bruno Früh mit Sohn Peter
Lieber Bruno, danke, deine Mail freut mich sehr! Die Einschätzung einer so erfahrenen Lehrpersonen, dass man in seinen Beobachtungen nicht gänzlich falsch liegt, ist für mich sehr wertvoll.
Liebe Grüsse nach Davos, Dominik