Die Schweiz steht vor grossen Herausforderungen. Die Digitalisierung prägt unsere Lebenswirklichkeit in einem zunehmenden Masse. Dabei überrascht vor allem die Geschwindigkeit, mit welcher Veränderungen in unserem beruflichen oder privaten Leben Einzug halten. Die technologische Entwicklung in den letzten Jahren war enorm und bleibt mit vergleichbaren Veränderungsprozessen aus der Vergangenheit – ich denke dabei beispielsweise an die Industrialisierung zu Beginn des letzten Jahrhunderts – nur beschränkt vergleichbar.
Dieser Prozess steht indessen erst am Anfang. Die Rasanz und Radikalität des technologischen Fortschritts bildet dabei eine Besonderheit, welche sich mit den Erfahrungen der Vergangenheit nicht vergleichen lässt. Studien gehen davon aus, dass es viele der herkömmlichen Berufsbilder bereits in naher Zukunft nicht mehr gibt. Der weitere Fortschritt in digitalen Prozessen und die zunehmenden Einsatzmöglichkeiten der künstlichen Intelligenz bleiben indessen auch mit Auswirkungen für gut ausgebildete Menschen verbunden. Unsere Kinder oder Enkel werden dereinst Tätigkeiten ausüben, deren Namen oder genaue Berufsbezeichnung wir heute vielfach noch nicht kennen. Wahrlich keine einfache Vorstellung für junge Menschen. Diente früher der Beruf oder die Tätigkeit des Vaters oder der Mutter vielfach als Vorbild, fehlt in Zukunft diese Orientierung zusehends. Eine hohe Fähigkeit zur Adaption und zur Anpassung wird Voraussetzung bleiben, um das berufliche Leben erfolgreich zu gestalten.
Das geschilderte Szenario kann man begrüssen oder auch nicht. Persönlich wünsche ich mir oft eine Welt, die mehr analog als digital funktioniert, welche den persönlichen und individuellen Austausch dem «Big-Data» Transfer bevorzugt. Wilhelm II, der letzte deutsche Kaiser, hegte in Bezug auf Veränderungen einen ähnlichen Wunsch. Dazu später mehr.
Dennoch, es ist dringend notwendig, dass wir uns den Herausforderungen der heutigen Zeit stellen und die Antworten auf die Fragen finden, welche dieser Veränderungsprozess mit sich bringt. Was passiert beispielsweise mit den Menschen, die aufgrund ihrer persönlichen Voraussetzungen nicht in der Lage sind, sich mit komplett neuen Rahmenbedingungen zu arrangieren? Finden wir Alternativen für Berufsleute, deren Arbeit sich vor allem auf einfache und repetitive Tätigkeiten beschränkt und wie beurteilen wir den Wegfall dieser – ich meine das nicht despektierlich – einfacheren Berufsbilder vor dem Hintergrund der zunehmenden Migration von Menschen in die Schweiz, welche teils weder Berufsbildung noch sprachliche Fähigkeiten mitbringen?
Diese nur exemplarisch und selektiven Fragestellungen bieten politischen und sozialen Sprengstoff. Die Unruhen in Frankreich und die Demonstrationen der «gilets jaune» zeigen nach meiner Einschätzung deutlich, dass die Menschen in Sorge sind und sich zunehmend als Verlierer in einer globalisierten Welt betrachten. Der Streit um die Besteuerung des Treibstoffes bildete dabei nur Auslöser eine Krise, die ihrer Ursachen weit tiefer trägt.
Folge dieser Rat- und Tatenlosigkeit ist die Förderung von radikalen Tendenzen, welche die Sorge der Menschen bedient und die Kenntnis von einfachen Rezepturen gegen die Nöte der Menschen vorgaukelt. In einer komplexen Welt gibt es indessen keine einfachen Antworten. Solche Aussagen müssen wir uns getrauen, sonst nehmen wir die Menschen nicht ernst.
«Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung«. Diese Aussage des bereits erwähnten letzten deutschen Kaisers hat sich rückblickend als nicht zutreffend erwiesen. Sie zeigt aber auch, dass sich Veränderungsprozesse nicht aufhalten lassen. Aber wir sollten sie positiv mitgestalten. Und hier erfüllt mich die Situation in der Schweiz mit sehr viel Hoffnung: Das Schweizer Berufsbildungssystem gehört zur weltweiten Spitze, unsere Gewerbe- und Industriebetriebe erfreuen sich einer hohen Leistungs- und Innovationskraft und die schweizerischen Institutionen mit ihrer föderalen Grundstruktur sorgen für Stabilität und Rechtssicherheit.
Tragen wir dieser Ausgangslage und unseren Errungenschaften Sorge, bleiben wir trotzdem mutig und treten in einen ehrlichen Diskurs mit der Bevölkerung. Vergessen wir dabei nicht die Chancen, welche mit Veränderungen verbunden bleiben. Franz Kafka hat es einst wie folgt beschrieben: »Wege entstehen dadurch, dass man sie geht».
In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihren wertvollen Beitrag als Unternehmerin und Unternehmer. Mit Ihrem Wirken sichern sie Arbeitsplätze und tragen ganz wesentlich zum Wohlstand in der Schweiz bei.