Roger Federer heult gern. Und oft. Bei keiner Siegerehrung ist man vor dem Tränenmeer sicher. Gewinnt er wieder ein Turnier – und das tut er oft – gibt es kaum ein Halten beim Champion. Peinlich? Mitnichten!
Auf der einen Seite empfinde ich es nämlich als durchwegs positive Eigenschaft, dass ein so erfolgsverwöhnter Mensch, welcher bei der Ausübung seines Sports höchste Konzentration an den Tag legen muss, selbst im Scheinwerferlicht einer Pokalübergabe zu solch ausgeprägten Emotionen fähig bleibt. Chapeau! Auf der anderen Seite darf die wissenschaftliche Betrachtung des “Weinens” nicht ausser Acht gelassen werden: Evolutionsbiologen wollen herausgefunden haben, dass das Weinen – oder eben der Weinende – durchaus eine Strategie verfolgt. Der Vorgang soll nämlich beim Gegenüber ein Gefühl der Empathie und der Solidarität erzeugen und dient also durchaus als Mittel zum Zweck. Folgt man dieser Argumentation, weint Roger Federer eindeutig zu selten. Jeder missglückte “Aufschlag” oder “Return” sollte entsprechend in einem hysterischen Weinkrampf enden. Das erzeugt Mitgefühl beim Gegner und stärkt das eigene Spiel. So zumindest die Theorie. Zögern Sie also nicht, auch in beruflichen Verhandlungen diesen Trumpf zu ziehen. Einen Versuch ist es wert. Allerdings aufgepasst: Krokodilstränen im wörtlichen Sinn sind kein Ausdruck von Mitgefühl, sondern werden durch den starken Gaumendruck beim Kauvorgang hervorgerufen. Das Krokodil empfindet somit viel mehr Freude wie Traurigkeit beim Zerlegen eines Beutetieres. Mitleid für das Krokodil bliebe also in diesem Falle durchaus fehl am Platz. Und möglichweise auch nicht ohne Folgen.