Ich durfte das vergangene Wochenende in Stockholm verbringen. Eine tolle Stadt mit einer sympathischen Bevölkerung. Aufbruchstimmung ist spürbar an beinahe jeder Strassenecke, man erhält das Gefühl, die Politik beschäftige sich sehr ernsthaft mit der Frage, wie Stockholm sich in den nächsten Jahrzehnten entwickeln soll. Das Streben nach wirtschaftlicher Prosperität und Wachstum erfolgt dabei synchron mit der Entwicklung von riesigen Arealen, welche den Menschen als attraktiven Arbeits- und Lebensraum dienen. Prominentes Beispiel dafür ist die Siedlungsgestaltung in Nora Djurgardsstaden.
Die Schweiz ist nicht Schweden, die Verhältnisse lassen sich nur beschränkt vergleichen. Schon klar. Trotzdem lässt aufhorchen, dass sich in der Schweiz seit dem Jahr 2005 die Zahl der Ansiedlungen ausländischer Firmen halbiert hat, der Kennwert an neu geschaffenen Arbeitsplätzen ist gar um 70 Prozent eingebrochen. Gründe dafür gebe es viele, meint ein Bericht des St. Galler Tagblattes vom 12.6.2018: Frankenstärke, Masseneinwanderungsinitiative, Aufhebung des Bankgeheimnisses sind einige der möglichen Ursachen für die Flaute. In der Stadt St. Gallen zeigt sich die Schwäche der Standortpromotion sogar noch akzentuierter, der Wegzug von Firmen findet dabei zunehmend geräuscharm statt.
Mir bereitet diese Entwicklung Sorge. Und wenn ich nach Gründen suche, gelange ich auch zur Einschätzung, dass sich die Schweizer Politik sehr gerne mit sich selber beschäftigt, nach den politischen Gegnern grätscht, taktiert und sich vielfach gar nicht mit den wirklichen Problemstellungen beschäftigen will, sondern lieber emotionalisierende Scheindebatten führt. Vielleicht gewinnt man damit Wahlen, aber es beinhaltet in letzter Konsequent auch eine Irreführung der Bürger. Die Beratungen im eidgenössischen Parlament zur Selbstbestimmungsinitiative sind für mich symptomatisches Beispiel dafür. Nicht in Bezug auf den Inhalt des Themas, aber sicher in Bezug auf das Verfahren: Da wird mit über 47 Rednerinnen und Rednern aus den Reihen der SVP versucht, einen Entscheid zur Initiative zu verzögern, um dieses Geschäft als Wahlkampfthema für das kommende Jahr zu instrumentalisieren. Klar, Politik hat mit Kalkül zu tun. Für die eigenen Zwecke nimmt der SVP-Fraktionspräsident auch gerne eine Marionette an das Rednerpult mit. Oder ein anderer Nationalrat greift gar zum Klebeband und unterbindet damit sein eigenes Votum. Ein Zirkus, ohne jede Ernsthaftigkeit. Oder einfach nur lächerlich und beschämend. Und bei all diesem Theater wundern wir uns tatsächlich über eine verminderte Standortattraktivität.