Gestern habe ich die Trauerfeierlichkeiten zu Ehren von Helmut Kohl im Fernsehen verfolgt. Helmut Kohl, zweifellos eine Gestalt von weltpolitischem Format, ein Jahrhundertpolitiker, der Kanzler der Einheit, eine Ikone der europäischen Gemeinschaft.
Bill Clinton, Angela Merkel und viele mehr haben dem “ewigen” Kanzler die letzte Ehre erwiesen und mit gewählten und wohlwollenden Worten auf die fantastischen Leistungen des Politikers Kohl hingewiesen. Sicher zu Recht, Kohl wird als prägende Figur in die Weltgeschichte des letzten Jahrhunderts eingehen.
Vor nicht allzu langer Zeit, ich erinnere mich noch gut daran, blieb die öffentliche Wahnehmung von Helmut Kohl vor allem geprägt vom Spendenskandal rund um die CDU. Kohl war plötzlich eine “persona non grata”, es blieb ratsam, sich in möglichst grosser Distanz zum damaligen Ehrenvorsitzenden der CDU aufzuhalten, wollte man die eigene politische Karriere nicht gefährden.
Im Lichte der vollmundigen Ehrenbezeugungen anlässlich der Trauerfeier entsteht für mich der Eindruck, dass wir Menschen zunehmend dazu neigen, in Extremen zu denken und zu handeln. Wir sind überschwänglich im Lob, bleiben aber auch erbarmungslos in der Kritik. Die Helden, die wir erschaffen und mit Attributen ausstatten, denen kein Mensch wirklich entsprechen kann, reissen wir bei Lust und Laune auch wieder vom Podest. Vielleicht wäre es daher ratsam, sowohl mit unserem Lob als auch mit der Kritik sparsamer und vorsichtig umzugehen. Wir würden unseren “Helden” wahrscheinlich gerechter werden, sowohl im Erfolg wie auch in der Niederlage.