Die Covid-19-Verordnung hält es fest: Zur Eindämmung der Pandemie muss der angeordnete Mindestabstand im öffentlichen Raum eingehalten werden. Eine sinnvolle Regelung. Diese Bestimmung gilt aber anscheinend auch für Paare und Familien. Räumliche Distanz zu den eigenen Kindern und dem Lebenspartner oder der Lebenspartnerin ist also notwendig, um sich im rechtlich zulässigen Rahmen zu bewegen. Die Zürcher Kantonspolizei hat bereits Liebespaare gebüßt, welche sich nicht regelkonform verhalten haben.
Es gibt wahrscheinlich nur ein Wort, welches diese Sanktionierung beschreibt: Absurd. Wo leben wir, wenn die Liebe und Zuneigung von Menschen in familiären oder partnerschaftlichen Strukturen keinen Ausdruck mehr finden darf und an sich sehr vernünftige Regelungen zur Abstandseinhaltung pervertiert werden? Wie lassen sich solch totalitären Tendenzen mit den Grundsätzen einer freiheitlichen, liberalen und sozialen Gesellschaftsordnung in Einklang bringen? Wird der Grundsatz von Verhältnismässigkeit und Augenmass in Rechtssetzung und Rechtsanwendung aufs Spiel gesetzt, droht der Verlust von Glaubwürdigkeit. Fehlendes Vertrauen ist hingegen fatal und befördert letztlich radikale Meinungen und Verschwörungstheorien.
Die Menschen sind in der Lage, sich eigenverantwortlich zu benehmen und Abstand zu halten. Zu ihrem Schutz und dem Schutz ihrer Mitmenschen. Aber das Verbot und die Sanktionierung von “Händchenhalten” oder einem anderen Ausdruck der Zuwendung unter sich bestens vertrauten Menschen ist ein Schritt zu viel. Und auch in die falsche Richtung.