«Je besser es den Menschen geht, desto stärker
erleben wir eine Entsolidarisierung unter ihnen»
Dieses Zitat stammt von Regine Hildebrandt, eine deutsche Politikerin der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Die Aussage an sich erscheint aktueller denn je. Individuelles Wohlbefinden und die Frage nach dem persönlichen Vorteil stehen heute oft an erster Stelle. Diese selbstbezogene Grundhaltung befindet sich im Widerspruch zu der Grundkonzeption, welche unsere Demokratie letztlich ausmacht: Ein solidarischer Staat darf die Interessenlage von Minoritäten nicht ausser Acht lassen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Bürgerinnen und Bürger auch für Angebote und Leistungen finanziell aufkommen, welche keinem persönlichen Bedürfnis oder Vorteil entsprechen. Ein kinderloses Ehepaar leistet seinen finanziellen Beitrag an die Bildungskosten, auch wenn kein persönlicher Nutzen besteht. Rentner oder Alleinstehende unterstützen die Kita-Tagesstrukturen oder sorgen mit ihren Steuern und Abgaben dafür, dass die Leistungen der Sozialhilfe für Bedürftige finanziert werden.
Entscheidend bei der Definition des staatlichen Grundangebotes bleibt dabei immer die Frage, welche Dienstleistungen die öffentliche Hand bereitstellen soll und im Rahmen einer Zweckmässigkeitsbeurteilung auch Sinn ergeben. Hier hoffe ich, dass eine Beurteilung des Gesamtinteresses die zum Teil sehr libertären Tendenzen in den Hintergrund rücken lässt: Der soziale Zusammenhalt und Friede erfordert Solidarität und die Fähigkeit zum Kompromiss. Gerade für die Schweiz als Willensnation sind diese Werte von grosser Bedeutung und letztlich der Garant für unseren Erfolg.
Auf der anderen Seite sind aber auch die staatlichen Organe in der Pflicht. Als Steuerzahler habe ich Anspruch darauf, dass der Staat einen haushälterischen Umgang mit den finanziellen Mitteln gewährleistet und im Weiteren Rahmenbedingungen schafft, welche den Fortschritt und die wirtschaftliche Prosperität auch ermöglichen. In diesem Punkt vermisse ich oft die politische Vernunft bzw. die richtige Priorisierung, wenn es darum geht, eine Interessenabwägung zu machen: Solange es möglich bleibt, mit einfachen Mitteln und ohne inhaltliche Berechtigung wichtige Infrastrukturprojekte über Jahre zu verzögern, behindert sich der Staat in der notwendigen Entwicklung selber und stellt einen Formalismus in den Vordergrund, welcher keine Probleme löst und damit niemandem dient. Dabei geht es mir nicht darum, die rechtlichen Möglichkeiten zu beschneiden. Vielmehr steht die Beschleunigung von Verfahren im Vordergrund sowie der Verzicht auf laufend neue gesetzliche Bestimmungen. Bund und Kanton schaffen es nämlich tatsächlich, immer neue Vorgaben zu erlassen, welche neben den individuellen Freiheiten auch die unternehmerischen Rahmenbedingungen einschränken. Dabei wird verkannt, dass eine zeitnahe Perspektive für die Umsetzung von Projekten und Vorhaben ein wesentlicher Bestandteil einer gelebten regionalen Standortförderung darstellt. Dagegen geben wir Millionen aus für Projekte der Wirtschaftsförderung. Ein Widerspruch in sich.
In Goldach wird es tatsächlich gelingen, die Projekte zur Zentrumsentwicklung ohne zeitliche Verzögerungen durch Rechtsmittelverfahren zu realisieren. Das ist bemerkenswert und allen zu verdanken, die sich mit grossem Einsatz für dieses Ziel eingesetzt haben: Neben dem Gemeinderat und der Gemeindeverwaltung – speziell natürlich der Bauverwaltung – gebührt der Dank auch der Bevölkerung und im Besonderen den Anwohnern, welche viel Weitsicht bewiesen haben.
Was es andererseits bedeuten kann, bei einem wichtigen Projekt blockiert zu sein, erlebt die Gemeinde Goldach bei der Überbauung im Zentrum. Durch das jahrelange Rechtsmittelverfahren wird die wichtige Entwicklung mitten im Dorfkern verzögert. Solange wir uns als Staat und Gesellschaft solche Zustände leisten können, geht es uns wirklich gut. Allerdings beinhaltet diese Trägheit tatsächlich ein Risiko: Wo kommen wir hin, wenn jeder nur seinen Vorteil sucht und der Staat diese Entwicklung mit langen Verfahren auch noch befördert? Und hier schliesst sich der Kreis zum eingangs erwähnten Zitat von Regine Hildebrandt.