Greta Thunberg trägt den Verdienst, die Sorge um das Klima als ein Kernanliegen – vor allen der jüngeren Generation – auf der politischen Bühne pointiert und medienwirksam deponiert zu haben. Dies ist angesichts der Wichtigkeit des Klimaschutzes durchaus als gesellschaftliche Leistung zu bewerten, welche es auch zu würdigen gilt. Ein junges Mädchen, welches sich mit viel Engagement für die Welt und ihre Lebensgrundlagen einsetzt, bleibt bemerkenswert. Trotzdem mehren sich bei mir die Vorbehalte. Nicht gegenüber der Schwedin als Person. Sondern vielmehr gegenüber dem Hype und der medialen Stilisierung zur Ikone. Dabei negieren wir die Widersprüche, welche die radikale Haltung von Greta Thunberg zu unserer eigenen Lebenswirklichkeit aufweisen.
Die Welt applaudiert der Schwedin, welche den Mächtigen der Welt die Leviten liest. Auch die UN-Versammlung honoriert die Rede von Greta Thunberg mit Ovationen. ” Wie könnt ihr es wagen, meine Kindheit zu zerstören”, fabuliert die Schwedin mit zittriger Stimme. Und erntet mit diesen Worten ein breites Nicken. Kritische Stimmen zu dieser teilweise verwirrten Darstellung der Realität sind weitgehend Fehlanzeige: Eine stoisch hingenommene Schuldzuweisung an die Staats- und Regierungschefs, mit welcher die eigene und subjektive Wahrnehmung in das Zentrum der Betrachtung gerückt wird. Die medialen Begeisterungsstürme befeuern das Leiden der Klimaschützerin zusätzlich und machen es zu einer vermeintlichen Wirklichkeit, die mir zunehmend verzerrt erscheint. Ich habe mich an dieser Stelle tatsächlich gefragt, wie sich ein kleiner Jungen fühlen muss, welcher im Kongo und anderswo für unsere C02 neutrale E-Mobilität oder unseren Drang, immer das neueste Mobiltelefon zu besitzen, Kobalt schürfen muss und damit seine Gesundheit aufs Spiel setzt. Wer spricht von dieser wirklich kaputten Kindheit, damit die sogenannt erste Welt ihren Bedürfnisse entsprechen kann? Oder mit den Worten von Greta Thunberg ausgedrückt, wie kann es ein wohlbehütetes Mädchen aus der westlichen Welt wagen, von einer zerstörten Kindheit zu sprechen, angesichts der vielen jungen Menschen, welche jeden Tag um ihr Überleben kämpfen oder Opfer von schlimmster Ausbeutung werden? Und wie lässt sich die Aussage von Greta Thunberg überhaupt im Kontext der Bemühungen und Anstrengungen sehen, welche in den vergangenen Jahren tatsächlich passiert sind, um die Umwelt und ihre Ressourcen zu schützen? Und sind es nicht vor allem wir Menschen selber, welche mit unserem permanenten Streben nach Komfort und Bequemlichkeit sowie dem immer ausgeprägteren Freizeitverhalten die natürlichen Ressourcen belasten? Klar, letztlich dreht sich in der Wirtschaft und Politik vieles um Gewinnmaximierung oder die Wahrung der eigenen Interessen . Es gilt darum tatsächlich, eine gesunde Balance zu finden. Auch der technische Fortschritt wird seinen Teil dazu beitragen, dass Klimaschutz und wirtschaftliche Prosperität sich zunehmend ergänzen und weniger ausschliessen. Daran arbeiten die Industrie und das Gewerbe bereits heute.
Das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen hat in einem Beitrag die Rede von Greta Thunberg fast schon gehuldigt. Speziell nur: Der darauf folgende Bericht zeigte die am Flughafen festsitzenden Touristen, welche aufgrund der Pleite von Thomas Cook bzw. der Tochterfirma Condor ihre Reise nicht antreten bzw. fortsetzen konnten. Darüber wurde ebenfalls eine Empörung zum Ausdruck gebracht, welche für mich die ganze Widersprüchlichkeit unseres eigenen Denkens und Handelns zum Ausdruck bringt. Staatshilfen für die Rettung des Ferienfliegers sind nämlich zwischenzeitlich bereits beschlossen. Wissen wir eigentlich noch, was wir gut finden und in welcher Welt wir leben wollen?
Politiker wie Barack Obama verbrüdern sich auf der anderen Seite mit Greta Thunberg. Obwohl sie genau wissen, dass ihr eigener Lebensstil und ihre Haltung in ganz vielen Fragestellungen wenig kompatibel erscheinen mit den radikalen Ansichten der Schwedin. Dasselbe tun in der Schweiz mittlerweile sogar Ständeratskandidaten von rechtsbürgerlichen Parteien. Klar, Klimaschutz liegt im Trend. Diese Tatsache ist zwar gut, sollte uns aber nicht daran hindern, auch einmal kritische Fragen zu stellen. Auch zum Hype um eine Person, welche offensichtlich die Realität nicht mehr in jeder Beziehung richtig einordnen kann. Damit holt man vielleicht keine Stimmen. Aber es bleibt wenigstens ein Versuch, die Lebenswirklichkeit so einzuordnen, wie sie sich tatsächlich darstellt: Ein Balanceakt zwischen ganz vielen Interessen , deren Berücksichtigung wohl keine radikale Politik erlaubt, sondern im Dienste des Menschen eine ausgewogene Austarierung der verschiedenen Anliegen und Sichtweisen bedingt.