Heute wurde der Kandidat der überparteilichen Findungskommission für die Nachfolge des Stadtpräsidenten von Gossau präsentiert. Ich muss es zugegeben, die entsprechende Mitteilung habe ich mit Neugier erwartet. Erstens, weil ich Alex Brühwiler sehr gut kenne. Die Zusammenarbeit mit ihm habe ich immer sehr geschätzt und so bleibt es natürlich interessant zu wissen, wer seine Nachfolge antritt. Und zweitens, weil ich wirklich gespannt blieb, welchen Gegenkandidat die SVP, SP, FDP und Flig aus dem Hut zaubert, um dem Kandidaten der CVP auf der Zielgeraden die Suppe noch zu versalzen.
Die Wahl fiel auf einen sympathischen Churer. Oder besser: Wahlchurer. Das erste Interview mit dem Kandidaten liess dann auch schnell und offensichtlich erkennen, wieso der Auserwählte für die verbleibenden Parteien so interessant bleibt: Mit einer sistierten SP-Mitgliedschaft im Rücken, liess der Bündner eine beachtliche Offenheit in Bezug auf die spätere Parteiwahl bzw. einen späteren Parteibeitritt in eine Gossauer Ortsparteien erkennen. Grundsätzlich scheinen für den Kandidaten als “sistierter Sozialdemokrat” fast alle Optionen offen. Somit kann jede Ortspartei – ausser wahrscheinlich der CVP und anscheinend auch der SVP, dieser Partei möchte er auf Nachfrage hin doch nicht beitreten – berechtigte Hoffnungen hegen, den künftigen Stadtpräsidenten in den eigenen Reihen zu wissen. So lassen sich Stimmen verschiedenster parteipolitischer Couleur vereinen, würde man meinen. Ob diese Aussagen bzw. dieses Vorgehen tatsächlich geschickt bleibt, darf durchaus in Frage gestellt werden. Zwar ist es korrekt, dass in der Kommunalpolitik nicht in erster Linie Parteipolitik betrieben wird. Aber nach meiner Meinung fehlt es zunehmend an Politikern, die sich klar positionieren und situativ auch exponieren, die ihre Meinung kundtun, selbst wenn der Wind aus der anderen Richtung weht: “Kante” zeigen und klare Abgrenzungen definieren in den eigenen Haltungen, und zwar gegen rechts und links. Selbstverständlich will ich nicht behaupten, dass der Kandidat der Findungskommission dazu nicht in der Lage bleibt. Die im Vorfeld einer Wahl geschilderte Offenheit bezüglich einer künftigen Parteipräferenz hat mich dennoch zumindest zum Schmunzeln gebracht. Es sei mir verziehen, ich hatte einen strengen Tag.
Bei der Bundestagswahl in Deutschland wurde die beiden grossen Parteien mit herben “Wähler-Verlusten” abgestraft. Nach meiner Einschätzung hat dies auch damit zu tun, dass die Politiker, Parteien und ihre Programme für den Bürgern nicht mehr fassbar sind, eine Beliebigkeit und Konturlosigkeit verdrängt markante Positionen, welche für den Wähler auch erkennbar bleiben. Resultat ist mitunter leider auch, dass die Polparteien AfD und “die Linke” mit ihren pauschalen und vereinfachenden Haltungen zunehmend an Boden gewinnen. Das ist bedenklich.
Trotzdem, um den Bogen wieder zu schliessen und nach Gossau zurück zu kehren: Immerhin hat sich der Stadtpräsi in spe bereits Gedanken gemacht, wie er das Verkehrsproblem in Gossau zu lösen gedenkt. Sagen darf oder will er noch nichts, aber die Lösung scheint gedanklich bereits gereift. Ich hoffe, der Lösungsvorschlag wird noch vor dem Wahlsonntag der Oeffentlichkeit präsentiert. Wir warten gespannt. Persönlich werde ich von einer solchen Lösung nicht mehr profitieren, bald dürfen wir nach Goldach ziehen. Trotzdem freut sich der geneigte Politbeobachter, dass ein Churer die Gossauer Verkehrsthematik so schnell in den Griff bekommt. Alle Achtung.